Das Image Kalabriens – der südlichsten Festlandregion Italiens – ist bei noch nicht Dortgewesenen eher schlecht behaftet. Wer an Kalabrien denkt, dem fallen als erstes die ‚Ndrangheta, marode Infrastrukturen und eine hohe Arbeitslosigkeit ein. An einen touristischen Aufenthalt in Kalabrien denken nur die Wenigsten, und wenn, dann nur an einen Drop by im sagenumwobenen Tropea. Die kalabresische Wirtschaft anzukurbeln und gleichzeitig weitestgehend ungestört etwas zu erleben, das ist (eher) in den kalabrischen Küstendörfern wie Amantea möglich!
Von 14.000 Einwohnern in Amantea nur 14 angetroffen
Letztes Jahr im März bin ich von Sizilien herüber nach Kalabrien geschippert, um mir ein paar Städte dort näher anzusehen. Von Reggio di Calabria sind es mit dem Regionalzug weniger als 2 Stunden Fahrtzeit nach Amantea, einer 14.000-Einwohnerstadt, die landschaftlich und architekturhistorisch einiges zu bieten hat.
Die Fotos zeigen die beschauliche Bahnhofsstation der Ortschaft, die Ausgangspunkt unseres kleinen Ausfluges zu Berg und Meer in Amantea sein soll. Ich weiß nicht, wie es in der übrigen Saison aussieht, aber von den 14.000 Einwohnern habe ich ungefähr nur 14 getroffen. Hat aber auch was für sich.
Schon im Frühmärz ist es tagsüber recht warm (+25° C) in Kalabrien, was meinen ersten Anlaufpunkt (Ankletterpunkt vielmehr) in Amantea zu einer kleinen Herausforderung werden lassen sollte: ich plante tatsächlich, zur höchsten Stelle über der Stadt zu klettern – auf dem Gipfel über Amantea steht eine uralte Burgruine, wohin sich alle paar Jahre mal jemand verirrt. Deren Erkundung hatte mir der Reiseführer der großartigen Ilona Witten (ISBN: 978-3770172856, ein wertvoller Helfer in Kalabrien) schmackhaft gemacht.
Spätgotische Kirchen und Geheimtipps für den Aufstieg
Und um dort hinzukommen, musste ich genau DORT oben rauf! Das Foto macht einem so ungefähr den Höhenunterschied und die Wegstrecke deutlich, die es beide zu bezwingen galt. Dabei musste ich mich durchaus sputen, da ich abends noch weiterfahren wollte und um 6 oder 7 Uhr abends der letzte Zug weiter Richtung Norden kam.
Unter den weiteren Sehenswürdigkeiten, die zudem auch noch erhalten sind, ist auch eine Kirche aus der Spätgotik. Ihr seht sie im Fluchtpunkt des Bildes. Genau, das gelbe Gemäuer da! : Architektonisch wunderschön, zudem gibt es handbemalte Wegweiser, die mir den Weg hinab oder hinauf weisen wollen. Leider sind nicht mehr alle Wege passierbar, und so bin ich ein bisschen herumgeirrt.
TIPP: An der Kirche angekommen, führen zwei Wege (scheinbar) weiter bergauf. Mit Gesicht zur Kirche aber rechtsherum gehen, einen wütend bellenden Hund passieren und weiterlaufen. Der Pfad in die andere Richtung führt irgendwann in eine Sackgasse.
Witzige und idyllische Bilder vom Aufstieg
Jaaa, so eine Dachterrasse ist etwas Schönes! Nur, gesetzt dem Fall, dass einmal im Jahr jemand Wagemutiges den pittoresken Hang weiter hinaufgeht als bis zur Kirche, könnte man sich dort „unten“ schon mal gestört fühlen.
Zwischendurch drehte ich mich immer mal wieder zur Meeresseite hin und schoss ein paar Fotos als Erinnerung (falls ich in der Ruine später durch ein Loch im Boden gefallen wäre, beinahe auch passiert). Nicht ohne Stolz präsentiere ich hier das Bild „Bahnhof und Meer“, dem nur noch der durchfahrende Zug gefehlt hat. Der befindet sich quasi leider schon 1 Meter weiter außerhalb des Bilds. Zu langsam gewesen.
Wie kommt man in die Burgruine hinein?
„This ist the end…“ sang einst Jim Morrison von den Doors. Das zwangsläufige Ende meines Weges war dies hier noch nicht, jedoch zumindest das des Asphalts. An dieser Stelle ist noch ein bisschen Stein und Kies aufgebracht, aber danach schließen sich nur noch hohe Gräser, Nesseln und Gestrüpp an.
Wenn die Autorin des Reiseführers Kalabrien, Ilona Witten, ganz oben war, hat bestimmt zumindest sie den kleinen Trampelpfad hinterlassen, der sich in ewig anmutenden Serpentinen der Burg nähert. Ich bin also ihren Spuren gefolgt und zum Glück nirgendwo ins „Glück“ getreten.
TIPP: Wo und wie ins Innere der Burgruine gelangen? An keiner der 4 Seiten scheint es so recht eine Einstiegsmöglichkeit zu geben. Türen und Fahrstühle sind hier oben leider rar gesät. Hilfe bieten ein paar Wurzeln und ein robuster Busch, an dem man sich hinauf hangelt. Leider habe ich vergessen, an welcher Himmelsrichtung dieser Support lag. Beim Abstieg übrigens später auch, sodass ich erstmal nicht wusste, wie ich überhaupt wieder wegkommen sollte.
Wie sieht es in der alten Burgruine hoch über Amantea aus?
Den besten Überblick über das, was man dann sehen kann, liefert euch am besten mein Video, das ich hoch droben aufgenommen habe. Ein herrliches Panorama der Stadt, die Anlagen im Hinterland, von der mondänen Burg auf diesem Gipfel ganz zu schweigen.
Hier schien echt lange niemand gewesen zu sein. Zumindest den Rasen hatte keiner gemäht. Bevor man hier von einer Seite zur anderen geht, musste man sich erst einmal überlegen, wie. Denn es sieht am Boden nicht groß anders aus als auf dem Weg hierhin vor der Burg. Moose, dicke Gräser, Wurzeln und verzweigtes Gestrüpp machen ein Fortkommen kaum möglich.
Zwischendurch musste man sogar aufpassen, nicht in ein Loch zu plumpsen. Der alte Brunnen hier schluckt seine unfreiwilligen Besucher für immer. Abenteurer hätten hier ganz gewiss ihre Freude.
An dieser Höhle zum Beispiel, oder am Erkunden der Oberburg. Vielleicht gibt es auch Gesteinsforscher, Biologen (seltene Zeckensorten?) und Historiker an sich, die hier gerne noch herumwuseln würden. In jedem Falle haben sie jetzt ja eine prima Anleitung dazu von mir bekommen!
Am Tyrrhenischen Meer vor Amantea
Der Abstieg erfolgte dann etwas zügiger, als der Aufstieg vonstatten ging. Irgendwie war ich schon heilfroh, dass ich unversehrt wieder unten landete und in der einzigen Gelateria in der Oberstadt das Eis des Jahres verspeiste. Mehr Touristen könnten hier wirklich nicht schaden.
Es war inzwischen Nachmittag, und mit ein paar italienischen biscotti (Keksen) machte ich es mir auf einem Felsen am Strand bequem. Hier kann man echt ewig sitzen, Leute. Schweigsam sah ich rund eine halbe Stunde einfach nur in die Ferne.
Das Tyrrhenische Meer vor Amantea sollte einen Schönheitspreis bekommen, befand ich. Es ist nicht der allerschönste Sandstrand hier, aber man muss ja auch nicht immer nur baden fahren. Außerdem kann es im Hochsommer hier auch anders aussehen.
Der Sonnenuntergang schickte sich nunmehr an, und für mich wurde es Zeit, so langsam die Weiterreise anzutreten. Nicht jedoch ohne noch einmal in den Reiseführer zu schauen! Denn in Amantea sollte man sich ein ganz bestimmtes Souvenir mit nach Haus nehmen.
Feigen aus Amantea als Mitbringsel kaufen
In Schokolade gemantelte Feigen (ital. Fichi) und einen schönen Wein habe ich noch aus der Küstenstadt entführt. Die Feigen sind eine Spezialität von hier, und meine nordkalabresischen Freunde haben sich über den südkalabresischen Wein auch sehr gefreut (so viel umher reisen die nämlich auch nicht), hehe.
Ich hoffe, ich habe euer Interesse an dieser Region etwas geweckt und dass sich der ein oder andere mal in diesem Landstrich blicken lässt!
Interessante Links:
Reiseverbindungen mit der Bahn in Kalabrien https://www.trenitalia.com
Wikipedia-Artikel über Amantea (in der italienischen Version viel umfangreicher) http://it.wikipedia.org/wiki/Amantea
Hotels in Italien und Süditalien http://www.ewtc.de/Europa/Italien/Hotels.html
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Sehr interessante Reiseziel Wahl. Vielleicht sollte ich lieber woanders hinreisen als meinen Urlaub in Meran zu verbringen. http://www.lamaiena.it/